Vernunft und Dialog: Jürgen Habermas zum 85. Geburtstag
Die Philosophie Jürgen Habermasʼ ist längst selbst Gegenstand der Forschung geworden. Zu Lebzeiten wird bereits sein „Werk“ diskutiert, seine philosophischen Leistungen werden gewürdigt und eingeordnet. Zu seinem 85. Geburtstag sind entsprechend viele Glückwünsche, Würdigungen und Auseinandersetzungen erschienen – und die Frage, die hinter diesen Würdigungen steht, lautet: Wozu brauchen wir ihn? Was lässt sich bei Habermas lernen?
Momo Rulez denkt darüber nach, welche Bedeutung die Schriften Habermasʼ in seiner Studienzeit hatten. Habermas, im Unterschied zu Foucault, schillerte nicht. Er faszinierte nicht, riss nicht mit, sondern seine Philosophie kam nüchtern daher. Momo Rulez stellt heraus, wie sehr Habermas auf die Verständlichkeit setze: Sich selbst verständlich machen, mit dem Ziel eines gelingenden Miteinanders. Die Philosophie und Soziologie von Habermas zielt auf eine Verständigung, die nicht auf Macht beruht. Das klingt idealistisch, unerreichbar. Doch das will Momo Rulez nicht gelten lassen. Dies sei eben das große Erbe der Schriften Habermasʼ, das es überhaupt noch zu verstehen gelte.
Genau hier widerspricht Bersarin auf seinem Blog Aisthesis Habermas. Kommunikation laufe nicht auf Konsens hinaus, sondern ebenso auf Differenz. Weshalb sollten am Ende die Gesprächspartner einer Meinung sein? Gibt es am Ende etwa immer das beste, das überzeugende Argument? Und darüber hinaus: Wenn schließlich ein Argument am Ende die anderen aussteche: Ist das dann eine machtfreie Kommunikation? Ist das nicht der „Zwang“ eines Arguments, also doch ein Raum, in dem Macht ausgeübt wird? Bersarin weist darauf hin, dass die Widersprüche einer Gesellschaft eben nicht im Gespräch aufgelöst werden können. Sie bleiben bestehen. Demnach bliebe die machtfreie Verständigung zwangsläufig blind für die realen Verhältnisse der gesellschaftlichen Kommunikation.
Armin Schwibach erinnert zu Habermasʼ Geburtstag an dessen Antwort auf eine Rede von Papst Benedikt XVI. Dieses Gespräch zwischen dem bedeutenden Theologen und dem berühmten Philosophen sei selbst ein ‚idealer Dialog‘. In dieser Rede und der Antwort Habermasʼ zeige sich, wie idealerweise über Glaube und Vernunft gesprochen werden könne. Benedikt XVI. hatte dazu aufgefordert, über die Vernunft nachzudenken, über ihren Siegeszug, den sie angetreten habe. Wie ist es dazu gekommen, dass die Vernunft den Glauben zurückgedrängt habe? Und welche Folgen hat dies für den Menschen? Für diese Trennung von Vernunft und Glauben, so Habermas, habe es gute – vernünftige – Gründe gegeben. Beide, so Schwibach, treffen sich darin, kritisch darauf zu sehen, wie die Anhäufung von Wissen und Erkenntnis, eben nicht dazu führt, klüger zu handeln. Die Anhäufung von Erkenntnis bedeutet nicht, dass man wisse, was vernünftigerweise zu tun sei. Der Maßstab des Handelns kann dennoch verloren gehen.
Gerade um sich mit der Macht der Vernunft kritisch auseinanderzusetzen, sei Habermas, ein wichtiger Denker. Seine Schriften, das schreibt auch Bersarin, sind bedeutsam geblieben. Zumindest könne man sich an ihnen abarbeiten. Gesellschaftliche Emanzipation lasse sich noch immer mit Habermas angemessen denken, schließt Momo Rulez.
Habermas ist weiterhin Teil eines Dialogs, der die Gesellschaft deutet. Er ist ein wichtiger Teil, wie die Würdigungen und Glückwünsche zeigen. Und eine Gratulation im Sinne dieses Blogs: Eine ganze Sammlung von weiteren Glückwünschen findet sich auf dem Blog Political Theory.